Bei diesen Aufnahmen hören Sie ein Klavier der Marke Rönisch (Leipzig), Modell 115. Das heißt, das Klavier ist 1,15 m hoch. Es handelt sich somit um ein modernes Kleinklavier, dessen Klangkörper 5 cm höher als das Standard-Kleinklavier ist. Die Höhe des Klangkörpers bestimmt die Größe des Resonanzbodens sowie die Länge der Saiten. Klanglich sind die Kleinklaviere daher häufig begrenzt.
Vergleicht man die verstimmte mit der gestimmten Version, so fällt einem bei der gestimmten Version auf, dass einige Töne stumpf wirken. Das Volumen scheint sich teilweise selbst zu verschlucken. Wie so häufig fallen solche Details in der gestimmten Version nicht auf, da sie schlicht von der Verstimmung überlagert werden. Aber beim ersten Spielen des Klaviers passiert es mir regelmäßig, dass ich schneller spiele als nach der Stimmung sowie stärker anschlage. Daher war es wohl bei diesem Instrument auch so, dass ich beim ersten Probespielen das Pedal stärker getreten habe. Dagegen war ich nach dem Stimmen für das Piano weitaus sensibilisierter, so dass ich versucht war, mit dem Pedal fein abgestimmt zu spielen. Dabei fällt aber auf, dass die Einstellung des rechten Tonhaltepedals zu gering ist. Das heißt, wenn man das Pedal nicht mit Kraft nach unten drückt und zwar genau genommen gegen den Widerstand der Filzunterlage unter dem Pedal, dann heben die Dämpfer zu wenig ab. Teilweise liegen die Dämpfer sogar noch leicht an den Saiten an, was eben den Charakter der stumpfen Töne beim Probespielen der gestimmten Version erzeugt hat. Daher folgte eine dritte Aufnahme mit einem entsprechend eingestellten Tonhaltepedal. Nun schwingen die Töne frei und das Volumen hat sich insgesamt ebenso verbessert.
Soeben habe ich geschrieben, dass ich für das Instrument sensibilisiert war. Das heißt, die Messfühler meiner Sinnesorgane hatten sich bereits mit einigen Aspekten des Klaviers intensiver beschäftigt. So funktionierte zum Beispiel die Mechanik nicht einwandfrei. Manchmal erklang nach dem Anschlagen der Taste kein Ton. Ein Blick ins Innenleben zeigte, dass der Hammer einfach stehen blieb. Die Überprüfung ergab als Ursache, dass die Klaviatur die Fehlerquelle war: Die Tasten waren nicht ausgewogen. Das Auswiegen und Einbleien der Tasten dient dazu, dass die vom Klavierspieler nach unten gedrückte Taste wieder alleine in die Ausgangsposition zurückkehrt, damit sie erneut angeschlagen werden kann. Wird dieser Rückkehrprozess zum Beispiel aufgrund einer falschen Gewichtung oder zu hoher Reibung behindert, verringert sich die Anschlagshäufigkeit zwangsläufig. Gleichzeitig erhöht sich die Fehlerwahrscheinlichkeit. In dem Fall dieses Klaviers brauchten die Tasten für die Rückkehr in die Ausgangsposition das Gewicht der Mechanik. Verwendet man das linke Pianopedal, nimmt vielleicht einmal den Finger nicht ganz von der Taste, oder die Taste hat eben zusätzlich eine erhöhte Reibung, so kann dies zu einem Fehler im Ablauf der Mechanik führen. Schiebt man zum Testen mit der Hand die Klavierhämmer nach vorne, so kann man sichtbar machen, wie die Tasten reagieren. In diesem Beispiel kippten die Tasten lediglich aufgrund des fehlenden Gewichts der Mechanik am Ende der Tasten nach unten. Aber es reagierten auch nicht alle Tasten gleichmäßig, sondern nur einige Tasten. Die Wahrscheinlichkeit, dass beim Spielen einzelne Töne ausfallen, ist somit relativ hoch. Fehlende Töne sind für den Klavierspieler eine massive Störung, die in der Regel zum Abbruch des Stücks führt. Man sagt, das Klavier sei ein Musikinstrument. Übersetzt man das Musik-Instrument, so ist das Klavier ein Werkzeug zum Musizieren. Doch ein so hergestelltes Werkzeug funktioniert nicht. Daher kann man damit auch nicht Musizieren. Der Klavierspieler, der die Selbstharmonisierung am Piano sucht, bekommt das Gegenteil: Aufregung und Frust über die technischen Fehler. Anstatt Stress abzubauen, trägt so ein Instrument dazu bei, zusätzlichen Stress zu erzeugen.
#Hörbeispiel Rönisch-#Klavier mit klemmenden Tasten http://t.co/Isz0ChGofS pic.twitter.com/ic36qIkEOW
— Matthias Meiners (@Praeludio) 20. Mai 2015